Es ist August 2020 und wir befinden uns in den Ausläufern einer Krise nie gekannten Ausmaßes. Zu Beginn dieser Krise wurde die Stadt München so ruhig und die Luft so frisch und sauber wie nie. Die Kinder waren glücklich, nicht in den Kindergarten bzw. die Schule gehen zu müssen und viel Zeit mit den Eltern verbringen zu können. Es gab einige nicht zu leugnende Vorteile in dieser plötzlich stillgelegten Gesellschaft. Doch im weiteren Verlauf wuchsen die Anforderungen.
In unserem Fall war das, innerhalb kürzester Zeit ein funktionierendes Online-Geschäft auf die Beine stellen zu müssen, um die nötigsten Kosten zu decken. Parallel dazu wuchsen, geschürt von den Medien, die Ängste. Angst ist ein altbekanntes, hochwirksames Machtinstrument, um Menschen auf Kurs zu bringen. Eigentlich sollten wir das alle aus dem Geschichtsunterricht wissen. Doch wer sich nie mit seinen eigenen Ängsten auseinandergesetzt hatte, kam jetzt trotz dieses Wissens innerlich an seine Grenzen. Und wahrscheinlich war das die eigentliche Herausforderung dieser Zeit: mit den dunklen, unangenehmen Anteilen unseres Wesens umgehen zu lernen, die uns auf einmal so radikal ins Bewusstsein gerückt wurden.
Das war auch für mich schwer, obwohl ich schon einige private Krisen hinter mir habe.Geholfen hat mir vor allem die Entscheidung, den Fernseher auszuschalten, den Medienkonsum stark zurückzufahren, und stattdessen meine Meditationspraxis wieder aufzunehmen, und zwar gleich als erstes in der Früh. Das war erstaunlicherweise möglich, auch allein mit Kleinkind. Immer wenn sich dann trotz allem Ängste und Panik einstellen wollten, war ich dankbar über mein yogisches Wissen und die Techniken, die ich mittlerweile kenne, um beruhigend auf das autonome Nervensystem einzuwirken. Und ich war dankbar, dass mir trotz Abstandsregelungen einige Menschen näher kamen als zuvor, und ich mich durch diese Beziehungen getragen fühlen durfte. Auch das wirkte sich immer wieder enorm regulierend auf Körper und Psyche aus. Vielleicht ist das eine der wichtigsten Lektionen dieser Zeit: wir mögen noch so individualisiert leben, wir brauchen einander. Und wenn wir uns als ein starkes „Ich“ in einem starken „Wir“ sehen, können wir einen positiven Unterschied bewirken in einer Welt, die darauf angewiesen ist, dass wir unsere höchsten und besten Eigenschaften zum Wohle aller einsetzen. Vielleicht hat uns die Krise insofern dabei geholfen, als dass sie uns unsere niedrigsten bewusst gemacht hat. Bewusstsein ist der Schlüssel für Veränderung.
Rückblickend betrachtet hat jede Krise, die ich erlebt habe, mein Leben im Nachhinein bereichert. So auch diese. Ich habe eine innigere Verbindung zu meinem Kind. Nicht tragfähige Beziehungen sind aus meinem Leben verschwunden, die anderen haben sich vertieft und gefestigt. Ich nehme mir mehr Zeit für das was wirklich wichtig ist, was mich bereichert und erfüllt. Ich merke, dass ich nicht viel brauche. Dadurch, dass sich mein Leben auf das Wesentliche reduziert hat, wie z.B. mein Essen selbst zu kochen, bin ich weniger unterwegs und habe tatsächlich manchmal wieder so etwas wie Muße. Und ich kann nach allen anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen online von daheim unterrichten, was mir großen Spaß macht, und für viele, die mich kennen und nicht in München leben, eine Bereicherung ist.
Ich bin gespannt, wo die Reise nun hingeht, aber eins ist mir noch wichtig zu sagen: mein Urvertrauen wächst mit jedem Tag, den ich in diesem Jahr 2020 erlebe. Ich fühle mich vom Leben getragen und geführt. Und selbst, wenn es nicht so sein sollte, ist diese Grundannahme eine gute Wahl, denn sie lässt Frieden im Inneren entstehen. Trotz (oder vielleicht sogar wegen) aller äußeren Umstände.
Viele Yogalehrer stehen in diesen Zeiten mehr als sonst vor der Herausforderung, ihren Schülern die Wichtigkeit von Yoga begreiflich zu machen und dafür zu sorgen, dass sie wieder in den Unterricht kommen oder online Yoga üben. Ich habe erfahren, dass es gerade jetzt noch einmal von großer Bedeutung ist, die Klassen gut vorzubereiten. Es reicht nicht mehr aus, nur Haltungen anzusagen und auf ihre Wirkung zu vertrauen. Gerade im online Yoga kann man keine allzu langen Pausen entstehen lassen, die im live Unterricht von Musik, Stille und der eigenen Präsenz getragen werden. Im online Yoga funktioniert das nicht, der Teilnehmer fühlt sich schnell allein gelassen. Hilfreich ist hier, die Momente in den Haltungen mit Texten zu füllen, die beides sind: poetisch und bildhaft, sowie inhaltlich aussagekräftig. So gibt es beispielsweise zum Thema „Selbstliebe“ wunderschöne Gedichte oder auch Interviews mit Weisheitslehrern, sowie praktische Tipps für mehr Selbstliebe im Alltag, z.B. kurz vor dem Einschlafen drei Geschenke zu benennen, für die man am heutigen Tag dankbar ist.
Darüber hinaus ist es wichtig, sich mit Energielenkung auszukennen, und Techniken wie Atemarbeit und Visualisierungen zu nutzen, um die Teilnehmer in einem entspannten und geerdeten Zustand aus der Stunde zu entlassen, auch wenn man ihnen keine Nackenmassage geben oder sie in einem persönlichen Gespräch innerlich abholen kann.
Was ich an online Yoga so schätze ist, dass es hier noch einmal mehr darauf ankommt, sich als Lehrer zu verschenken und auf Anerkennung weitgehend zu verzichten. Wenn die Teilnehmer etwas aus den Stunden mitnehmen, das sie befähigt, mit den alltäglichen Herausforderungen besser zurechtzukommen, werden sie wieder einschalten. Das bedeutet aber auch, sich immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen und ständig weiter zu bilden. Doch wir sind nicht aufgrund des hohen Einkommens Yogalehrer geworden, sondern weil wir lieben, was wir tun. Ich habe durch diese neue Art des Unterrichtens viel gelernt und bin sehr dankbar für die Möglichkeit, nun von überall aus online Yoga Stunden geben zu können.
Modell und Text: Ranja Weis, Bilder: Alina Matis